Klaus Ahlfänger
Sturz
DJ, ich weiß, wo dein Auto steht!
"Chill-Out, Picknick und Tanz vor dem großartigen Panorama hoch über den Dächern der
Metropole Ruhr,“ hieß es da vollmundig in den Ankündigungen und geradezu
schwärmerisch wies man auf einen aus der Nachbarstadt Marl stammenden Discjockey
hin, der mit erstklassigem elektronischen Sound für feinste musikalische Unterhaltung
sorgen würde. All diesen Verlockungen konnten wir natürlich nicht widerstehen und die
Vorfreude „auf die schönste Party des Jahres“ ließ uns die 550 Stufen zum Haldengipfel
nicht als Strapaze empfinden. Doch als wir die sogenannte Himmelstiege bezwungen
hatten, wurden wir in 140 m Höhe mit einem wahren Höllenlärm empfangen, bei dem die
anfänglich schmerzhaft wummernden Bässe nach wenigen Minuten einen erlösenden
temporären Hörverlust bewirkten.
Wohlweislich hatte sich der Verursacher dieses Techno-Getöses hinter mehreren
kleinwagengroßen Verstärkerboxen verschanzt, so dass er dort ungehindert sämtliche
Knöpfe bis zum Anschlag aufdrehen konnte. Hören konnte ich ohnehin nicht mehr, jedoch deutete das unkontrollierte Wabbeln
meines Hüft- und Bauchspecks auf das Vorhandensein von extrem starken Schallwellen hin. Zwischendurch warf ich immer
wieder einen besorgten Blick zu den riesigen Stahlbögen des in der Nähe befindlichen maroden Horizontalobservatoriums .
Der lärmbeauftragte Disk-Jockey hat wohl vom Veranstalter (Regionalverband Ruhr) eine Menge Geld für seine Trommelfell
zerstörende Performance erhalten. Auch drängt sich der Verdacht auf, dass sich namhafte Hersteller von Hörgeräten an der
Finanzierung dieses Events beteiligt hatten. Von wegen „feinste musikalische Unterhaltung“ – tatsächlich gab es dort droben
am Obelisken gegen 19 Uhr lediglich nervtötenden Techno-Schrott zu hören, den jeder von uns mit einem 30-Euro-
Computerprogramm selber herstellen kann.
Da hatten die Organisatoren ca. 20 Dixi-Toiletten aufgestellt und dennoch wurde überall in Public-Viewing-Manier gepinkelt.
Schließlich hieß es ja im Veranstaltungstipp: " Wenn der Himmel über dem Ruhrgebiet sich langsam rot färbt und sich nach
und nach ein glitzerndes Lichtermeer über die Städte ausbreitet, erreicht die einzigartige Atmosphäre ihren Höhepunkt." Ein
echter Mann braucht eben Freiheit und Weitblick - er lässt sich nicht so einfach in ein enges Dixi-Klo zwängen.
Ja – und was ich noch erwähnen möchte: DJ, ich weiß, wo dein Auto steht!
© Klaus Ahlfänger