Klaus Ahlfänger
Der Schlüssel zum Gruß – Allein unter Einräumerinnen
Oftmals bin ich morgens der erste und einzige Kunde in dem großen Supermarkt. Die
Kassen sind noch nicht besetzt, weil das Personal hier und da noch etwas einräumen,
zurechtrücken oder abschachteln muss. Niemand nimmt mich wahr und schon gar nicht
bequemt man sich zu einem Gruß, den ich als Wertschätzung hätte empfinden können.
Eine entschlossen dreinblickende Frau verfolgt mich hartnäckig mit ihrer lärmenden
Kehrmaschine und die sogenannten Waren-Einräumerinnen haben ihre Arbeitsbereiche
geschickt mit Paletten zugestellt, damit diese möglichst kundenfrei bleiben, Irgendwie störe
ich und stehe fortwährend jemandem im Wege, was mir auch durch genervtes
Kopfschütteln und entsprechender Mimik bedeutet wird.
Ihr Kittel ist mindestens zwei Nummern zu eng, so dass das aufgenähte Discounter-Logo
seltsam verzerrt erscheint. Wiederholt stapft sie mit abgewandtem Gesicht an mir vorbei
oder sie macht von ihrem vermeintlichen Vorfahrtsrecht Gebrauch, indem sie mich
panzergleich zum Ausweichen nötigt. Also schnell weg von dem Ort, wo mich niemand so
richtig gern hat.
Nach drei Minuten Wartezeit an der noch unbesetzten Kasse rollt der missmutige „Panzer“ auf mich zu, zwängt sich grußlos in
einer Art an mir vorbei, dass ich Gefahr laufe, über die verchromte Begrenzungs-Reling geschubst zu werden, Irgendwie gelingt
es ihr, in dem passgenauen Geviert ihres Arbeitsplatzes Platz zu nehmen. Und dann geschieht etwas völlig Unerwartetes: Kaum
hat sie den Schlüssel zum Systemstart herumgedreht, wandelt sich die bis dahin übellaunige Kassiererin in ein Wesen mit
überbordender Freundlichkeit. Erst jetzt wünscht sie mir „einen guten Morgen“, weil sie wohl vom Marktleiter entsprechend
programmiert wurde . So sehr ich mir auch vornehme, diesen „Gruß nach Vorschrift“ beim nächsten Mal nicht zu erwidern ,
gelingt es mir nicht, den mir anerzogenen Höflichkeitsreflex zu unterdrücken.
Und vor halb neun werde ich nie wieder einen Supermarkt betreten, denn dann habe ich die Gewähr, dass sich der Frust des
Personals nicht ausschließlich auf mich auswirkt
Kassiererinnen
© Klaus Ahlfänger