Klaus Ahlfänger
Leerstand
Da waren es nur noch ....
Immer seltener hatten wir ihre Geschäfte betreten, geschweige etwas bei ihnen gekauft.
Dennoch lamentieren wir lauthals, wenn ein allteingessener Ladenbesitzer entmutigt aufgibt
und einem weiteren Billig-Bäcker Platz macht. Die uns vertrauten Firmenschilder
verschwinden zusehends und werden bestenfalls durch Logos überregionaler Filialisten
ersetzt. Mitleid kommt auf, wenn ein Traditionsunternehmen trotzig versucht, sich über
Wasser zu halten, obwohl es bereits von einem Tinten-Shop und einem der unzähligen
Telefonläden flankiert wird. Herten hat schon vor langer Zeit sein Gesicht verloren, als
Städteplaner die Abrißbirne ungezügelt wüten ließen. Das Wenige, an dem wir unsere
Erinnerungen festmachen könnten, geht in der Innenstadt nun auch verloren.
Ich sehe das Bild des einheimischen Geschäftsmanns noch vor mir, der morgens seine Ladentür selbst öffnete, den Blick
zum Himmel wandte, um dann die Markise per Handkurbel in eine Schatten spendende Position zu bringen. Im
Verkaufsraum hingen Portraits seiner Vorgänger, deren strenge Blicke ihm wohl den Mut nahmen, bauliche oder sonstige
Veränderungen zu wagen. Es wäre ohnehin ein letztes Aufbäumen gewesen, denn der Großteil seiner vermeintlich treuen
Kunden war bereits zum „Aldiismus" konvertiert. Verblieben waren ihm lediglich die unerbittlichen Spendeneintreiber der
zahlreichen Vereine, denen er sich aus Familientradition zur Herausgabe von Sachpreisen für die jährliche Tombola
verpflichtet fühlte.
Nun haben die Eintagsfliegen ihr Brutgebiet von den Randbezirken in die Innenstadt verlagert. Dort nisten sie sich in viel zu
große, fast mietfreie Leerstände ein und geben sich mit dem Schritt in die Selbständigkeit den finanziellen Rest. Aus Bernis
Bottle-Shop wird nach nur wenigen Wochen Susis Suppenküche, deren Betreiberin wiederum nach einigen Monaten
fluchtartig - unter Hinterlassung aller noch abzustotternden Gerätschaften - das Weite sucht.
Für die Misere in den Innenstädten werden allzu leicht die Discounter und Städteplaner als Verursacher ausgemacht. Doch
letztendlich sind wir mit unserem Kaufverhalten den hiesigen Geschäftsleuten in den Rücken gefallen, indem wir den
mischkalkulierten Sonderangeboten der Billigheimer nicht widerstehen konnten . Einst pries der damalige Bürgermeister
das aus Karstadt-Überbleibseln gebastelte Herten-Forum als Leuchtturm-Projekt an, dessen Licht auf die gesamte City
ausstrahlen sollte. Erreicht wurde jedoch noch nicht einmal die Wirkungskraft einer Grablampe.
© Klaus Ahlfänger