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Klaus Ahlfänger
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Dasa
Betreten der Baustelle erwünscht Einmal in der Pilotenkanzel eines Großraumflugzeugs sitzen oder gar in die Rolle eines Chirurgen schlüpfen und eine sogenannte Schlüsselloch-Operation an einem Körpermodell durchführen. Ohne schlechtes Gewissen auf einer Baustelle herumstöbern, um dann gleich darauf im Führerstand einer Straßenbahn Baujahr 1930 die Handkurbel zu bestätigen. Das sind nur drei Wünsche von Vielen, die man sich bei einem Besuch der Deutschen Arbeitsschutz-Austellung (DASA) erfüllen kann. Doch ist die DASA alles andere als Disneyland, in dem es vordergründig um sinnfreien Zeitvertreib geht. Auf einer Gesamtfläche von 13000 qm begibt man sich dort auf eine Reise durch die Arbeitswelt von gestern, heute und morgen. Diese faszinierende Ausstellung ist der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin angegliedert und wurde in Dortmund- Dorstfeld im Jahre 2000 als dezentraler Standort der Weltausstellung Expo fertiggestellt. Bereits nach wenigen Minuten wird dem Besucher bewusst, dass früher doch nicht alles besser gewesen ist. Arbeitsstätten glichen häufig dem Vorhof zur Hölle, weil die Bedürfnisse der Menschen an letzter Stelle standen. Ein Gemengsel aus Profitgier, Gleichgültigkeit und Unkenntnis machte den Broterwerb zur Tortur für Leib und Seele. Deutlich wird das im Themenbereich „Arbeiten im Takt der Maschinen“ Hier findet man sich plötzlich in einem Saal mit ratternden Webstühlen wieder, die über lärmende Transmissionen von einer Dampfmaschine angetrieben werden. Maschinen und strenge Meister bestimmten den Arbeitsrhythmus und niemand verschwendete einen Gedanken daran, die Unfallgefahren zu minimieren. Auf alten Gemälden wurde die Arbeit der Drucker oftmals romantisierend dargestellt. Doch in der Realität bestimmte kräftezehrende Plackerei den Tag – und später auch die Nacht. In den Zeiten des Bleisatzes wurde fortwährend geschleppt und einige Druckmaschinen standen einer Tretmühle im nichts nach, weil mit den Füßen für Antrieb gesorgt werden musste, jedoch oben stetig Papier nachzulegen war. Ein unerträglicher Lärmpegel gesellte sich zu den unsichtbaren Gefahren, die von Lösungsmitteldämpfen und Druck-Chemikalien ausgingen. Nachempfinden kann man diese Belastungen hier in der DASA, wenn beispielsweise das Getöse einer Rotationsdruckmaschine das Trommelfell zu zerfetzen droht. In der Abteilung „Im Wettlauf der neuesten Nachrichten“ wird die Entwicklung der Drucktechnik vom Handsatz bis zum Desktop-Publishing mittels zahlreicher Exponate anschaulich verdeutlicht. Interessant ist auch die Entwicklung in der Sparte Bürotechnik. In komplett eingerichteten Arbeitsräumen ist es möglich, sich an alten Schreibtischen niederzusetzen und unter sich die unbequemen, rückenschädigenden Stühle spüren. Da gibt es noch die vertrauten Schreibmaschinen und auch den Fernschreiber, auf dem man mühevoll Texte mit kostensparenden Abkürzungen eingetippt hatte. Zum Vergleich der Sprung in die Gegenwart. Hier sind die Schreibtische und Stühle individuell verstellbar und das Licht ist so optimiert, dass die Sicht auf die Computer-Bildschirme nicht durch Spiegelungen beeinträchtigt wird. In Cockpit eines Airbusses werde ich zum Flugkapitän, wobei blinkende Lämpchen und englischer Funkverkehr die Illusion verstärken. Nicht weniger verantwortungsvoll ist die Arbeit der Flugsicherung. Eben noch Pilot, sitze ich gleich darauf als Lotse an einer Radarkonsole und verfolge gebannt die zahlreichen Flugbewegungen. Dann wieder gibt es Galerien von Schreib- und Rechenmaschinen zu besichtigen, die zweifeln lassen, ob die ganz frühen Exemplare wirklich die Arbeit erleichtert hatten. Nun nehme ich die Parade ausgestellter Fernsehapparate ab und bemerke beschämt, wie eine Gruppe Jugendlicher feixend vor einem Schwarz-Weiß-Gerät steht, das uns einst flimmernde Bilder von Irene Koss und Frankenfeld ins Wohnzimmer zauberte. Ein gelbes Schild mit der Aufschrift „Betreten der Baustelle erwünscht“ nimmt den Reiz des Verbotenen. Dennoch gehe ich ins Freie und blicke in notdürftig zusammengezimmerte, zugige Baubuden, die im Kontrast zu den dort aufgestellten modernen Container-Unterkünften stehen. Uralte Kräne, Bagger und Walzen genießen hier ihren Ruhestand sowie die Tatsache, dass sie die Publikumslieblinge sind und nicht ihre hochtechnisierten Nachfolge-Modelle. Die Arbeit auf dem Bau ist nach wie vor schwer und auch nicht ungefährlich, doch haben maschinelle Hilfsmittel und Sicherheitsvorkehrungen zu deutlich verbesserten Bedingungen geführt Heilen und Pflegen ist ein weiteres wichtiges Themenpaket.. Hier können die Besucher u.a. selbsttätig ein Elektrokardiogramm erstellen, eine Augenuntersuchung und einen Rücken-Check vornehmen sowie den Blutdruck messen. Bleibt zu hoffen, dass diese arztlose Praxis kein Vorgriff auf eine noch radikalere Gesundheitsreform ist. Für ältere Menschen und deren Angehörige bietet die Ausstellung ein Füllhorn von Anregungen, wie die Alltagssituation von Gebrechlichen oder ständig ans Bett gefesselten Kranken erleichtert werden kann. Wohnräume sind hier mit den neuesten technischen Hilfen versehen, so dass der Transport vom Bett zum Badezimmer kein Kraftakt mehr sein muss. Ein Arsenal von unterschiedlichen Rollstühlen und sonstigen Gehhilfen bietet zudem die Möglichkeit zur Eigenerfahrung. „Schuften in Schichten“, „Transportieren und Befördern“, „Unsichtbare Gefahren“ oder „Jede Menge Spannung“ sind weitere Themenschwerpunkte.. In einem riesigen Raum ist die Leitwarte eines Kraftwerks aufgebaut, darüber führen Hochspannungsleitungen und Drahtseile, an denen Fahrkörbe für die Monteure hängen, die in schwindelnder Höhe ihre Arbeit verrichten müssen. Der innerbetriebliche Transport erweist sich als besonders gefahrenträchtig. Realistisch in Szene gesetzt wird der Arbeitsalltag mittels einer geisterbahnähnlichen Fahrt durch eine unübersichtliche Lagerhalle, in der die Lichtverhältnisse ständig wechseln und schlecht gestapelte Kisten scheinbar auf die Besucher zu fallen drohen. Ein Gaudi für Groß und Klein, jedoch mit ernstem Hintergrund. Beeindruckend ist auch die große Halle, in der die wesentlichen Teile eines Stahlwerks aufgebaut wurden. Blickfang ist der 250 Tonnen schwere Elektrostahlofen mit den dazugehörigen riesigen Arbeitsbühnen. Die DASA beschreibt sich selbst als eine Erlebnisausstellung zum Sehen, Hören und Mitmachen,. Jung und alt können hier voneinander lernen, indem man sich wechselseitig die Funktionen alter und neuester Technik erklärt. Am Ausgang höre ich den dort oft gesagten Satz: „Beim nächsten Mal fahren wir früher hin, damit wir mehr Zeit haben.“
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