Klaus Ahlfänger
Moers
Dann fahren wir doch nach Moers, da kennt mich keiner!
Der Friseur hatte mein Haar verdammt kurz geschnitten und so überraschte es mich auch nicht sonderlich , dass mich meine
Frau mit einem „So-gehe-ich-mit-dir-nicht-raus-Gesicht“ empfing. Als sie dann noch mit der
Feststellung nachtrat, ich sehe aus wie ein lebendes Fahndungsfoto , wünschte ich mir eine
außerplanmäßige dreiwöchige Sonnenfinsternis herbei. Doch ausgerechnet für dieses
Wochenende hatten die mit ihrem fröhlichen Dauergeplapper nervenden „Kachelmänner“
mallorquinische Wetterbedingungen vorhergesagt und - gefühlte zehn Minuten später - die
wohl explizit an mich gerichtete Empfehlung angefügt „Nutzen Sie bitte die schönen
Herbsttage für einen Ausflug in die Umgebung!“
Um die Gefahr eines Zusammentreffens mit Freunden und Bekannten zu minimieren, schlug
ich meiner Frau vor, unseren samstäglichen Einkaufsbummel von Recklinghausen nach
Moers zu verlegen. Zwar nicht freudig, jedoch kompromissbereit willigte sie ein, ohne sich
jedoch den spöttischen Zusatz zu verkneifen, „Moers finde ich gut, da kennt uns wenigstens
keiner“
Lange(r )Rede, kurzer Sinn: Wir haben einen wunderschönen Tag in Moers verbracht, wobei ich nicht verschweigen möchte,
dass letztendlich auch ein riesengroßes Modekaufhaus stimmungsaufhellende Wirkung zeigte. Hier nahmen wir eine Auszeit
voneinander, die meine Frau für einen zweistündigen Verbleib in diesem Bekleidungsparadies nutzte. Ich hingegen wollte
endlich mal das Moerser Schloss kennen lernen, war jedoch danach deutlich mehr von dem dazugehörenden Park als von dem
Gebäude selbst beeindruckt.
Bei mir, der in einer leerstandgebeutelten ehemaligen Bergbaustadt wohnt, kamen zwischendurch immer wieder Zweifel auf, ob
Moers wirklich nur schlappe 50 Kilometer von meinem Heimatort entfernt liegt. Dieser niederrheinische Ort hat noch ein eigenes
Gesicht und ist weitgehend von nüchternen Zweckbauten verschont geblieben. Und hier findet man auch nicht die klassische
Einkaufszone, die sich schnurstracks durch die Innenstadt bahnt, sondern es gibt dort noch viele schmucke Lädchen in den
Seitenstrassen zu entdecken. Der Begriff, Liebe auf dem ersten Blick, mag oft leichtfertig zitiert werden, doch für Moers gilt er
ohne jegliche Einschränkung. Und nicht nur das Wetter erinnerte an diesem Tag an Mallorca, sondern auch die Tatsache, dass
fast ausschließlich deutsches Stimmengewirr zu hören war, was in den meisten Ruhrgebietsstädten eher ungewöhnlich ist. (ist
keinesfalls wertend gemeint, ich schwör's)
An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Friseur bedanken, ohne dessen Kurzrasen-Schnitt wir unser Vorhaben,
irgendwann einmal nach Moers zu fahren, immer wieder verschoben hätten. Meine Frau brachte - neben all den schönen
Eindrücken – drei prall gefüllte Tüten mit Kleidungsstücken nach Hause. Eigentlich sinnlos, denn schließlich will sie sich
mindestens drei Wochen lang nicht mit mir in der Öffentlichkeit sehen lassen
Gedämpft wurde die Moers-Freude ein wenig durch die scheinheilige Frage eines Nachbarns, die da lautete: „Was macht Dein
Friseur eigentlich hauptberuflich? Hat man den schon gefasst?“
Und fürs aufmerksame Lesen meines Beitrags gibt’s als Entschädigung noch einige Fotos von unserem Moers-Besuch, auf
denen ich wohlweislich nicht zu sehen bin..
© Klaus Ahlfänger
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