Glossenschmiede
Klaus Ahlfänger
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Drohnenkrieg
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© Klaus Ahlfänger
„Lass sein, Dad, davon verstehst du sowieso nichts“, musste sich Brad Paisley von  seinem Sohn anhören, als er sich zu ihm an die Spielekonsole setzen wollte. „Keine  Bange, ich wollte Dir nur sagen, dass ich heute früher losfahre. Bitte Deine Mutter,  dass sie für mich den gestreiften Anzug und die blaue Krawatte herauslegt, wir sind  heute Abend bei den Jeffersons eingeladen“  Draußen mahnte das ungeduldige Hupen der Fahrgemeinschaft zur Eile und nur  wenige Minuten später hatten die drei Männer den Highway erreicht, der direkt zur  Airbase führte. Unterwegs wurde wie immer über die laufende Football-Saison  gefachsimpelt und alle waren sich darin einig, dass die Patriots dringend einen  besseren Quarterback benötigten, um bei den „Finals“ ein Wörtchen mitreden zu  können. Jetzt waren es nur noch wenige Meilen bis zum Flugplatz und das Heulen der  startenden und landenden Kampfjets ließ keine weiteren Gespräche zu. Als wären die  Worte eine Art Schutzwall gegen aufkommende Gedanken gewesen, meldeten sich  nun verdrängte Kriegserlebnisse wieder. Seit ihren letzten Einsätzen als Piloten im Irak  waren mehr als zwei Jahre vergangen und dennoch gelang es ihnen nicht, die wohl  schrecklichste Phase ihres „Berufslebens“ dauerhaft auszublenden. Nie war man sich sicher, ob man von den sogenannten  „Missions“ lebend zur Basis zurückkehren würde und zu den häufigen Schockerlebnissen gehörten die Nachrichten, dass  Freunde, mit denen man wenige Stunden zuvor noch „Körbewerfen“ geübt hatte, mir ihren Jets am Boden zerschellt waren.  Ihr neuer Arbeitsplatz befand sich auf dem streng abgesicherten Gelände eines großen Militärflugplatzes. Dort betraten die in  Uniform gekleideten Männer ein unscheinbares Gebäude, um von hier aus per Fahrstuhl in einen 10 Meter tiefer gelegenen  Bunker zu gelangen. Schnell war der Schichtwechsel vollzogen und die neue Crew checkte zunächst das elektronische  Mission Board, um sich über die heute anstehenden Aufgaben zu informieren. Munitionslager, Waffentransporter,  Ausbildungscamp und Versteck eines hochrangigen Anführers – und all diese Objekte wurden mit den zielführenden  Koordinaten angezeigt. Brad Paisley konnte sich auf seine Kameraden im fernen Afghanistan verlassen, die dort die  unbemannten Flugzeuge betankten und sie je nach Einsatzzweck mit speziellen Waffensystemen bestückten. Ja, diese  sogenannten Drohnen waren schon ein Wunderwerk der Technik. Aus einer Distanz von 11000 Kilometern konnte man nun  töten und zerstören und dennoch betrug die Entfernung zwischen Krieg und familiärem Umfeld lediglich eine halbe  Autostunde.  Da saß Paisley nun in einem vollklimatisierten Raum vor zwei großen Bildschirmen und steuerte mit den beiden Joysticks die  Drohne auf das als Target ausgewiesene Munitionslager zu. Landschaft und Zielgebiet waren gestochen scharf auf den  Monitoren zu erkennen. Schnell brachte der erfahrene Kampfpilot das Flugzeug in die ideale Schussposition und mit einem  Klick wurde das Target auf dem Live-Bild mit einem Kreis markiert. Ein weiterer Knopfdruck und schon suchten die  abgefeuerten Raketen selbsttätig das Ziel. Die Detonation war gewaltig und voller Stolz hörte Pasley das Lob seines  Supervisors: „Nice shot, excellent job, Brad!“ Auch die anderen Punkte des Mission Boards wurden problemlos abgearbeitet,  so dass einem pünktlichem Feierabend nichts mehr im Wege stand.  Wieder zuhause angekommen, empfing ihn seine Frau mit der Routinefrage „Na, wie war dein Tag heute?“ „Alles prima  gelaufen," antwortete Paisley – „aber die gefährliche Heimfahrt in der Rush Hour bereitet mir zunehmend Sorgen und bevor wir  gleich zu den Jeffersons rübergehen, sollten wir endlich mal ein ernstes Wörtchen mit unserem Sohn sprechen. Der sitzt den  lieben langen Tag an der Spielekonsole und ballert dort nur sinnlos herum“  
                         Wie war dein Tag?
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