Klaus Ahlfänger
Freizeit
Das Recht auf Müßiggang
Halten wir es doch wie der Alte Fritz: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden". Lassen
wir also unsere Arroganz außen vor und rümpfen nicht ständig die Nase über
bildungsresistente Mitbürger, die sich mit Kartoffel-Chips anstatt mit irgendwelchem
Wissensmüll vollstopfen. Der ältere Mensch auf dem Sofa oder gar im Ohrensessel ist
nicht mehr gesellschaftsfähig, er hat sich gefälligst weiterzubilden und muß zudem noch
mit lächerlich wirkenden Skistöcken durch die Gegend eilen. Statt Schieber- und Prinz-
Heinrich-Mützen verunstalten nun Baseball-Kappen schüttere und ergraute
Seniorenhäupter.
Da hat jemand jahrzehntelang ein fremdbestimmtes Leben geführt und sich abgerackert
— und nun wird ihm der Ruhestand durch Bildungsterroristen verleidet, die ihm quasi das Recht auf Müßiggang
absprechen. Lebenslang lernen, im Alter aktiv sein oder Herz und Hirn trainieren schallt es ihm bei jeder Gelegenheit
entgegen. Sokrates und Goethe, statt Silbereisen und Gottschalk , Töpfern statt Tratschen. Einst wurden die Enkel in
selbstgestrickte Pullover gezwängt, jetzt sind sie wehrlos Großmutters selbstverfassten Gute-Nacht-Geschichten
ausgeliefert.
Was ist nur so schlimm daran, den Tag auf einer Parkbank zu verbringen oder erst gar nicht das Haus zu verlassen, um
sich eine Heimatschnulze anzusehen. Legen wir doch unsere bornierte „So-könnt-ich-nicht-leben-Mentalität" ab und
denken einmal darüber nach, ob uns all der überflüssige Wissensballast wirklich glücklicher und zufriedener gemacht
hat.
Wer fast ein halbes Jahrhundert in einer Werkstatt geschuftet hat, dem muss Verständnis entgegengebracht werden,
dass er nicht irgendwelche meist sinnlose Workshops besucht, in denen sich in der Regel humorlose und zänkische
Senioren wechselseitig beharken. Sowohl heimische Glotze als auch Bildungsveranstaltungen dienen letztendlich dem
Zweck, uns von vorhandenen Sorgen und Grundängsten abzulenken.
Schließlich droht den meisten von uns ein trister Lebensabend im Altersheim. Da gilt es, dass man beim Singen des
Kinderliedes „Alle meine Entchen" textsicher ist und wohl höchst selten dürfte man dort ein Gespräch über die
Verschiedenartigkeit der Baustile im Mittelalter führen können.
Im preisgekrönten Film „Forrest Gump" wird uns rührend vor Augen geführt, dass man auch mit eingeschränktem
Wissen glücklich und erfolgreich durchs Leben kommen kann. Nehmen wir uns also die im Ursprung religiös gemeinte
Maxime Friedrich des Großen zu Herzen, indem wir jeglichen Hochmut gegenüber anderen Lebensweisen ablegen.
© Klaus Ahlfänger