Klaus Ahlfänger
Herten BW
Herten ist nicht einmalig
Natürlich kann nicht unser Herten gemeint sein , wenn vom südlichen Klima oder gar von
einem vorhandenen Bahnanschluss die Rede ist. Und allen Spöttern zum Trotz sei schon
vorab gesagt, dass man wirklich 600 km weit reisen muss, um vor Ort zu ergründen, was es
mit dem „Narrennest Herten“ auf sich hat.
.
Vor mir liegt die Festzeitschrift „1200 Jahre Herten“, die im Jahre 2007 mit deutlich
spürbarer Liebe zum gleichnamigen badischen Heimatort erstellt wurde. Immerhin war man
bis zum 1.10.1973 weitestgehend selbständig und musste sich danach erst an die offizielle
Namenserweiterung Rheinfelden-Herten gewöhnen. Im Herzen sind die Bewohner jedoch
Hertener geblieben und auch das „Wir-Gefühl“ hat unter der damaligen Verwaltungsreform
kaum gelitten. Selbstverständlich hatten Vereine und Chöre ihre ursprünglichen Namen
beibehalten. Nach wie vor gibt es dort den Sportverein Herten e.V , den Tennisclub Herten
sowie den Radsportverein Herten, um nur einige Beispiele für Traditionsbewusstsein zu
nennen
Herten liegt an der südwestlichen Grenze der Bundesrepublik in direkter Nachbarschaft zur
Schweiz . Das führt zu dem Kuriosum, dass Fernreisende kurz vor Erreichen des Zielbahnhofs zunächst das deutsche
Staatsgebiet verlassen müssen, um dann in Basel (Badischer Bahnhof) in den Regionalzug nach Rheinfelden-Herten
umzusteigen. Hier angekommen, findet man das Motto der Festzeitschrift „Zwüsche Rhy und Räbe- do losst sich`s läbe“ voll
bestätigt. Als adäquate Übersetzung hierzu zitiere ich eine Passage aus dem gemeinsamen Grußwort des Rheinfelder
Oberbürgermeisters Eberhard Niethammer und des Hertener Ortsvorstehers Alfred Winkler: „Herten ist ein lebens- und
liebenswerter Ort zum Wohnen, Arbeiten und Leben. Dazu tragen nicht nur die schöne Lage zwischen Rhein und Dinkelberg
und das fast schon südliche Klima bei, sondern auch die alemannische Lebensfreude, wie es in Weinregionen üblich ist.“
Als sich im Ruhrgebiet der Niedergang des Bergbaus abzeichnete und es auch für viele Stahlwerker keine Zukunft mehr in
unserer Region gab, kamen die Stellenanzeigen der Firma Ciba-Geigy gerade recht. Man suchte dringend Arbeitskräfte und
hatte für die zu erwartenden Neubürger Werkswohnungen gebaut. In Herten entstand somit ein Wohnviertel, das von den
Einheimischen „Klein-Schalke“ getauft wurde. Durch den Zuzug der sogenannten Schnellschwätzer vergrößerte sich natürlich
die Einwohnerzahl Hertens , so dass es galt, die Infrastruktur entsprechend anzupassen.
In der Festzeitschrift schildert ein „Zugereister“, wie damals sein Einstellungsgespräch bei Ciba-Geigy ablief: „Als ich vorm
Personalchef stand, sagte der, einen Bergmann kann ich ohne weitere Fragen einstellen. Die sind zuverlässig und für alle
Arbeiten zu gebrauchen“ Wie ich finde, kann es kein besseres Lob für diesen aussterbenden Berufstand geben.
Wenn zuvor die alemannische Lebensfreude angesprochen wurde, so muss zunächst darauf verwiesen werden, dass sich
die schwäbisch-alemannischen Fasnacht sehr deutlich vom rheinischen Karneval unterscheidet. Hier ist Cliquen-Bildung
ausdrücklich erwünscht, so auch im eingangs erwähnten „Narrennest Herten“, das sich bei der Gründung der
Brauchtumspflege verschrieben hatte. Mittlerweile gehören acht Cliquen dieser Vereinigung an, die bei Umzügen in
fantasievollen Kostümen und Masken auftreten, wobei jede Gruppe sich in einem ein-heitlichen, manchmal furchterregenden
sogenannten Häs präsentiert. (siehe hierzu im Internet www.narrennest-herten.de
Passend zum Thema Fasnacht, sei hier die Interessengemeinschaft Weinbau Herten e.V erwähnt, deren Hauptanbausorte
der Spätburgunder ist. Jeweils Anfang Oktober laden die Winzer zur zweitägigen „Straußi“ ein, einem Fest , das außer Wein
und Musik den Besuchern die Möglichkeit bietet, die deftige regionale Küche kennen zu lernen . Zwiebelkuchen und süffiger
Sauser sind untrennbar miteinander verbunden und auch eine Portion Sauerkraut mit Schäufele (Schweineschulter) kann die
Wirkung des Alkohols zumindest hinauszögern.
Dann gibt es da noch das Hertener Loch, welches sicherlich der meistbesuchte Uferplatz am Rhein ist. Die idyllische Lage ist
Fluch und Segen zugleich. Hier wird gegrillt, geschwommen und oft derart laut gefeiert, dass die Polizei hin und wieder
wegen ruhestörenden Lärms eingreifen muss. Doch damit nicht genug, am Morgen danach ist diese schöne Gegend mit
Abfällen aller Art übersät.
Längst hat sich Herten vom einstigen Bauerndorf zum einem Gewerbestandort mit ca. 4600 Einwohnern entwickelt, ohne
jedoch gänzlich an Ursprünglichkeit verloren zu haben. So gehören die Gasthäuser Engel, Linde und Schwarzer Adler nach
wie vor zum Ortsbild, deren Geschichte teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurückgeht
Im Jubiläumsjahr 2007 hatte unserer jetziger Landrat Cay Süberkrüb und der stellvertretende Bürgermeister Karl-Heinz Forst
das badische Herten besucht. Sichtlich von der Herzlichkeit der Gastgeber beeindruckt, rief Karl-Heinz Forst den Festgästen
zu: „Wir fühlen uns wie zu Hause.“
Eigentlich selbstverständlich, dass sich ein Hertener in Herten heimisch fühlt – egal ob sich der Ort in Nordrhein-Westfalen
oder in Baden-Württemberg befindet.
© Klaus Ahlfänger