Klaus Ahlfänger
Da hatten wir für diesen Urlaub minutiös geplant, wann und was wir alles besichtigen wollten
– und jetzt treffen wir hier am Gardasee Wetterverhältnisse an, die so nicht zu erwarten
waren. Als möchte sich die Sonne bei uns Hertenern für ihre wochenlange Ruhrgebiets-
Abstinenz entschuldigen, dreht sie nun voll auf und es wird wohl darauf hinauslaufen, dass
wir die in unserem Reiseführer fett markierten Sehenswürdigkeiten niemals zu Gesicht
bekommen werden. Das Thermometer pendelt zwischen 25 und 28 Grad und die Vor-
stellung, sich in Verona oder Mantua in einen kollektiv schwitzenden Touristenschwarm
einfädeln zu müssen, wirkt richtungsweisend auf den weiteren Tagesablauf.
Somit werden wir auch heute wieder in der „Pool-Position“ verharren und dort mittels
frühmorgendlich ausgelegter Badelaken unseren Anspruch auf die erste Liegestuhl-Reihe dokumentieren. Nachdem sich
meine Frau im letzten Jahr fremdgeschämt hatte, weil ich mich ausschließlich in der Rückenlage der Sonne ausgesetzt
hatte, möchte sie dieses Mal einem ähnlich lächerlich wirkenden einseitigem Bräunungsergebnis vorbeugen, indem ich im
Zehnminuten-Takt die navigleiche Anweisung von ihr zu hören bekomme: „Bitte wenden“
Bei diesem herrlichen Wetter kann uns die weltberühmte Julia aus Verona gestohlen bleiben. Sie ist ohnehin nur eine fiktive,
den Hirnwindungen eines vor 450 Jahren lebenden Engländers entsprungene Theaterfigur. Die Veroneser werden „Willi
Shakespeare“ wohl ewig dankbar sein müssen, dass er die Handlung seiner Liebesschnulze - mit tragischem Ausgang - in
ihrer wunderschönen Stadt angelegt hatte. Jährlich pilgern mehrere Millionen Touristen zu einem Palazzo, den die
Stadtoberen irgendwann mal als „Casa di Giulietta “ ausgeguckt hatten, um dann dieser Unverfrorenheit noch eins
draufzusetzen, indem man 1930 an dieses wirklich schöne Gebäude einen Balkon pappte. Auf dieser nachträglich
angebrachten Touristenattraktion sollen sich also vor hunderten von Jahren Romeo und Julia ewige Liebe und Treue
versprochen haben?
Doch sollte man bei den hier herrschenden hochsommerlichen Temperaturen das Gemüt nicht mit allzu kritischen Gedanken
belasten. Wir werden auch heute wieder den Tag vorwiegend liegend verbringen und wenn dann am späten Nachmittag die
Sonne hinter meinem Bauch versinkt, freue ich mich auf Pizza, Spaghetti, Wein und Peroni-Bier. Eine viel zu späte
Erkenntnis: Urlaub ohne Bildungsanspruch kann wunderschön sein!
© Klaus Ahlfänger
Julia kann warten
Julia
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