Klaus Ahlfänger
Etwas kleiner möchte ich schon sein
Was hätte aus mir alles werden können, wenn meine Wachstumshormone sich in
Bescheidenheit geübt hätten und mir somit die wenig alltagstaugliche Körpergröße
von 186 Zentimetern erspart geblieben wäre. Fortwährend stoße ich mir an
irgendwelchen Dingen den Schädel ein, was der darin lagernden Hirnmasse mit
Sicherheit nicht förderlich sein kann und mir vermutlich Denk- und Intelligenz-
Defizite eingebracht hat.
In grauer Vorzeit mag größerer Wuchs grundsätzlich von Vorteil gewesen sein, weil
man im Schlachtengetümmel eine bessere Übersicht hatte und darüber hinaus dem
Gegner staturbedingt einen Riesenrespekt einflösste. Auch waren höher hängende
Baumfrüchte noch erreichbar, während die Normalwüchsigen ausschließlich auf die
Verfügbarkeit von erdnahen Nahrungsmitteln angewiesen waren.
Das Schicksal großer Menschen ist unabänderlich. Dicke oder Dünne können ihre Körperformen mittels Diäten oder Sport
nahezu wunschgemäss ändern. Ich hingegen werde zeitlebens auf winzigen Eisdielen-Stühlchen Platz nehmen müssen und ewig
dem Traum nachhängen, irgendwann Besitzer eines sportlich engem Zweisitzers zu sein. Ich erinnere mich noch mit Schrecken
daran, wie ich mir als Jugendlicher regelmäßig in den eigentlich für Hänflinge konzipierten Auto-Scootern die Kniescheiben
verschoben hatte. Auch habe ich die endlos langen Fahrten mit Reisebussen nicht verdrängt. Während nachts alles schlief und
schnarchte, war ich ständig damit beschäftigt, durch Zwangsstellung taubgewordene Körperteile wiederzuerwecken.
Und wer glaubt, dass man als Zugroßgeratener Sichtvorteile bei Veranstaltungen hätte, sollte sich die vorwurfsvollen Zurufe aus
dem Zuschauerraum anhören. Etwa: „Können Sie sich nicht woanders hinsetzen, wir können hier nichts sehen! Hinten sind noch
einige Plätze frei“ Ja, dann schleicht man sich beschämt zur letzten Reihe, findet dort einen freien Stuhl, denn wohl niemand
haben wollte, weil irgendeine Säule den Blick auf das Bühnengeschehen behinderte.
Für einen erfolgreichen Basketball-Spieler wäre ich zu klein gewesen, jedoch hätte mein Körpermaß eine Entscheidungshilfe sein
können, wenn ich mich um die Stelle eines Abteilungsleiters in einem Textilkaufhaus beworben hätte. Diese in der Regel
gockelhaft herumschwirrenden Aufpasser sind grundsätzlich überdurchschnittlich groß und haben somit jederzeit alles unter
Kontrolle.
Und dann möchte ich noch die resignative Bemerkung einer bildschönen 1,82 m großen Arbeitskollegin anfügen: „ Ich finde es
unfair von den kleinen Frauen, dass sie uns immer die großen Männer wegschnappen“ Eine Frau, zu der wohl alle Männer
hinaufgeschaut hatten, war wohl Trijntje Keever, die von 1616 bis 1633 in den Niederlanden lebte. Sie maß 254 Zentimeter und
für sie dürfte ich wohl eher ein Zwerg gewesen sein.
Wikipedia-Link zu Trijntje Keever
http://nl.wikipedia.org/wiki/Trijntje_Keever
© Klaus Ahlfänger
kleiner