Klaus Ahlfänger
Null
Unter Null
Strahlend blauer Himmel - und das Thermometer zeigt deutlich unter Null. Während sich
meine Frau in Imelda-Marcos-Manier auf die Suche nach dem soundsovielten Paar
Schuhe begibt, nutze ich meinen Freigang zu einem Bummel durch Düsseldorfs
Innenstadt. Ich liebe es, ziellos und ohne Zeitdruck durch die Straßen zu schlendern,
nehme somit Dinge und Geschehnisse bewusster wahr als es bei dem sonst üblichen
flüchtigen Vorbeihuschen möglich gewesen wäre. Klein-Paris kann es an diesem Tage
nicht mit der modischen Eleganz der großen französischen Schwester aufnehmen. In
ihrer mehrlagigen Funktionskleidung sehen die Menschen seltsam aufgeplustert und
nahezu gleich aus. Die Kälte hat über Eitelkeit und Selbstachtung gesiegt und da bei
Vielen ohnehin nur die Nasenspitze hervorlugt, dürfte der Imageverlust nicht besonders
nachhaltig sein.
Knallbunt und fröhlich geht es hingegen vor dem „Uerigen“ in der Altstadt zu. Hier hat
sich eine Hundertschaft Karnevalisten/Innen samt einer Verstärkeranlage postiert und
man schunkelt und singt sich die Seele aus dem Leib. Während die Herren ihre teilweise beträchtliche Körperfülle in
frostsichere Karnevalsuniformen verpackt haben, muss sich die Tanzmariechen-Gruppe in „kurzen Röckchen“ präsentieren.
Irgendwie bin ich froh, dass die blickdichten Strumpfhosen die blaugefrorenen Oberschenkel der „Mädels“ lediglich erahnen
lassen
Auch auf der Königsallee hat modischer Chic eine Auszeit genommen. Selbst hier bestimmt unspektakuläre Thermokleidung
das Straßenbild und ich entdecke weit und breit nichts verführerisch Enganliegendes, dessen Anblick mich zumindest partiell
hätte erwärmen können. Mir fällt auf, dass viele Frauen deutlich jünger sind als ihre männlichen Begleiter. Natürlich müssen
diese jungen Dinger ständig bei Laune gehalten werden, so dass der gemeinsame Besuch bei einem der Edel-Juweliere
dringend angeraten ist. Ja, mit einem neuen „Brilli“ kann man sich das Exklusiv-Nutzungsrecht auf Monate hinaus sichern
Das Handy klingelt. Meine Frau beordert mich in ein naheliegendes Kaufhaus, um ihr dort beim Abtransport ihrer
Tagesausbeute behilflich zu sein. Vorbei an einem frierenden Obdachlosen eile ich zum vereinbarten Treffpunkt und
empfinde dort das Turbo-Warmluftgebläse im Eingangsbereich als Verhöhnung derer, die in Eiseskälte ums nackte Überleben
kämpfen müssen.
© Klaus Ahlfänger