Glossenschmiede
Klaus Ahlfänger
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                                                              Allein unter Tätowierten Sollte man jemals wegen eines Deliktes nach mir fahnden, würde es in der Personenbeschreibung wohl wie folgt lauten: „Besonders auffällig ist, dass der Gesuchte keinerlei Tätowierungen aufweist“ Es heißt, dass 80 Prozent der Gefängnisinsassen sich irgendwelche Tattoos haben sticheln lassen, wobei die direkt unter dem Auge applizierte sogenannte Knastträne wohl am bekanntesten ist. Die Berechtigung für das Anbringen dieses Kennzeichens muss im wahrsten Sinne des Wortes mittels zehnjähriger Dauerhaft „ersessen“ werden und selbstverständlich darf man auch weitere Knast-Dekaden mit zusätzlichen Tränen dokumentieren. Noch vor Jahren waren tätowierte junge Männer nicht schwiegermutterkompatibel und es kullerten reichlich Tränen, wenn der klassische Satz fiel: „So einer kommt mir nicht ins Haus!“ Mit dieser Aussage würden Eltern heutzutage ihre Tochter zu ewiger Jungfernschaft verdonnern, weil der Tätowierungsirrsinn längst über die hohen Gefängnismauern hinweggeschwappt ist und seitdem wohl täglich mehrere Quadratkilometer Hautpartien mit irgendwelchen Ornamenten oder gruseligen Tiersymbolen lebenslänglich verschandelt werden. Einst waren die Tattoo-Studios in schmuddeligen Hinterhöfen angesiedelt und es gehörten schon Mut und Überwindung dazu, sich in einem unhygienischen Kabuff den Namen seiner Freundin einfärben zu lassen. Wer sich heutzutage diese schmerzhaften Sticheleien antun möchte, kann diese Prozedur in einem Ambiente über sich ergehen lassen, das durchaus mit dem eines gutgeführten Friseursalons vergleichbar ist. Die Tätowierten sind eine klassenlose Gesellschaft. Menschen aus allen sozialen Schichten laufen wie lebende Grafitti-Wände herum – und selbst Alter schützt nicht vor der blauen Farbtinktur, der man wohl verbotenerweise eine suchtauslösende Substanz beigemischt hat. Befeuert wird dieses selbstzerstörerische Hautgemetzel durch Promis, die mit sichtbarem Stolz ihre Tattoos präsentieren und zudem auch diejenigen gern erwähnen, die sie sich an den verborgensten Stellen ihre Körpers haben stechen lassen. Bei diesem Thema kommt man um die Erwähnung des sogenannten Arschgeweihs nicht herum. Hier deutet eigentlich schon die erste Silbe dieser Wortbildung darauf hin, wozu diese aus den tiefliegenden Hosen hervorlugenden Hautverfärbungen wirklich nütze sind. Spätestens bei den Geburtsvorbereitungen kommt bei den Geweihträgerinnen Reue auf, wenn es den Ärzten im Tattoo-Wirrwar nicht möglich ist, die richtige Einstichstelle für eine Periduralanästhesie zu finden. Und dann noch die Frage: Wie mögen wohl all diese Tattoo-Jünger gegen Lebensende aussehen, wenn die Haut faltig wird und sich Altersflecken ununterscheidbar mit den einst teuer bezahlten Farbinjektionen vermischen? „Rocky Horror Picture Show“ im Altersheim – eine schreckliche Vision!
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