Klaus Ahlfänger
Einmal mehr heißt es bei der Deutschen Bahn „kleine Ursache – große Wirkung“ Jetzt
hat es ein Vogel in die Schlagzeilen geschafft, dem es gelang, einen hochtechnisierten
ICE im wahrsten Sinne des Wortes zur Strecke zu bringen. Eine Sekunde der
Unaufmerksamkeit und das Federtier verfing sich im Stromabnehmer des
Schienenfahrzeugs, was einen Kurzschluss mit letalem Stromschlag zur Folge hatte.
Nun gut - für den Vogel war die Angelegenheit sozusagen blitzschnell erledigt – ganz
anders hingegen erging es den rund 450 ICE-Passagieren, die mehr als vier Stunden in
dem havarierten Hochgeschwindigkeits-Zug ausharren mussten, der ausgerechnet in
einem 2500 m langen Tunnel zum Stehen gekommen war.
Überhaupt scheint es mir, dass bei neu entwickelten technischen Systemen
Alltagstauglichkeit kein großes Thema ist. Was unter laborähnlichen Bedingungen prächtig funktionierte, erweist sich dann in
der Praxis als Quell ständigen Ärgernisses. In Zeiten fortschreitender Zentralisierung und Vernetzung wirken sich solche
Schwachstellen geradezu fatal aus. Macht irgendwo ein mickriges Relais schlapp, so stehen dann in halb Deutschland die
Räder still.
Ich mag gar nicht daran denken, wie es wohl in einem Krisenfall in unserer “schönen neuen Welt“ zugehen wird. Wenn bereits
ein orientierungsloser Piepmatz den ICE-Goliath paralysieren kann, dürften zielgerichtete Aktionen gegen zentrale
elektronische Schaltstellen landesweite Konfusion und Handlungsunfähigkeit bewirken. Die Vielzahl der rechnergesteuerten
Abläufe hat unsere Gesellschaft verwundbarer gemacht und es bleibt nur zu hoffen, dass es uns nicht irgendwann wie
Goethes Zauberlehrling ergeht, der da verzweifelt ausruft:
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister,
werd' ich nun nicht los
Kommt ein Vogel geflogen
vogel
© Klaus Ahlfänger